Sonntag, 20. Oktober 2013

Mal wieder ein kleiner Zwischenbericht

Hab jetzt schon eine Weile nichts mehr geschrieben und wurde von ein paar Leute darauf hingewiesen ;), also berichte ich mal ein bisschen.
Heute ist es zwei Jahre her, dass die ETA ihren bewaffneten Kampf für immer beendet hat ... Und was hat sich seither getan? Die verhafteten Mitglieder der zivilen Organisation Herrira, die gerade de facto verboten wurde, wurden nicht gefoltert, nicht mal in Incomunicado-Haft (ohne Kontakt zur Außenwelt, also unter anderem zu deiner Familie und einem Anwalt deiner Wahl) gebracht, und gegen Kaution wieder freigelassen, und die Zahl der politischen Gefangenen dürfte etwa von 650 auf 600 gesunken sein. Ta listo, das wars. Hätte man das damals vor zwei Jahren gewusst ...

So, aber jetzt zum eigentlichen Bericht.

Ich hab jetzt seit zwei Wochen zweimal die Woche Kurs, darüber schreib ich aber einen eigenen Artikel.

Außerdem hat vor zwei Wochen Kuadrillategi angefangen. Das ist ein Freizeitangebot für Siebt- und Achtklässler, jeden Freitag von sieben bis halb zehn. Die Jugendlichen (wobei ich sie eher noch Kinder nennen würde) überlegen sich, wie sie diese Treffen gestalten wollen (Fußballturnier, Ausflüge, Konzerte, Pizzawettbewerb ...), und müssen sich dann selbst darum kümmern, das zu organisieren, mit Hilfe der Betreuer. Zusätzlich ist das Projekt dazu gedacht, den Gebrauch von Baskisch in den Cliquen zu fördern, wobei das nicht so ganz im Vordergrund steht und bei denen, die jetzt dabei sind, auch eher überflüssig ist, weil sie eh Baskisch miteinander reden ...
Dieses Schuljahr sind es etwa 80 Teilnehmer ... und man kann sich ja vorstellen, wie das abläuft, wenn 80 zwölf- bis dreizehnjährige Teenies zusammenkommen. Wenn es länger als eine halbe Minute so weit ruhig ist, dass man etwas sagen kann, hat man schon Glück. Deshalb haben wir sie auch aufgeteilt in siebte und achte Klasse und diese beiden Gruppen noch mal in zwei beziehungsweise drei kleinere Gruppen, aber sogar in diesen Gruppe ist es nicht einfach ... Ich bin ja zum Glück nur so dabei, aber für die Betreuer ist es schon super anstrengend (obwohl Aitzol, bei dem ich am Freitag in der Gruppe war, unheimlich gut mit den Kindern umgehen kann).
Und zum Teil sind sie schon lustig: für zwei Jungs, die den Ball, der im Kreis rumgehen sollte, aus dem Kreis rausgeworfen haben, sollten sie sich eine Strafe ausdenken und haben sich dann überlegt: entweder müssen die beiden sich küssen oder fünfzig Runden um den Spielplatz rennen. Und die zwei entscheiden sich natürlich sofort für die fünfzig Runden ... Aitzol, Iraia und ich haben sie nur ausgelacht :D
Oder auch als sie sich einen Namen für ihre jeweilige Kleingruppe ausdenken sollten ... der beliebteste Vorschlag in Aitzols Gruppe war Ixo, hits egiten ari nais ("Ruhe, ich rede grad" mit spanischem Akzent), was wohl irgendein Lehrer immer sagt. Weil man so aber ja eine Gruppe nicht nennen kann, heißt sie jetzt letzendlich Zkx (x spricht man sch aus). Iraias Gruppe trägt, nachdem ihre Leute zuerst wohl nur Namen von Kleidermarken vorgeschlagen haben, jetzt letztendlich den Namen Chip Cool (womit wohl "coole Chips" gemeint ist ... auch wenn es grammatikalisch etwas holpert ;) ).
Ich bin jetzt am überlegen, ob ich nächste Woche zu Alazne, Olatz und Irati mit den Siebtklässlern geh, weil da ein paar unglaublich süße dabei sind, oder lieber bei den Achtklässlern bleiben soll, um sie besser kennen zu lernen ...

Bis ich dann daheim war, wars also schon nach zehn ... dann hab ich noch abengegessen, mit den Mitbewohnern ferngesehen und Asier und ich haben Alaia geholfen, Reimwörter zu sammeln ... aber dazu schreib ich auch in einem anderen Eintrag mehr ;)

Am Samstagmittag bin ich spontan mit Alaia nach Orereta (die Nachbarstadt) gefahren, wo ihr Bruder und ein Freund von beiden, der auch Bertsolari ist, einen Auftritt auf dem Bauernmarkt hatten, und hab dann mit den drei mittaggegessen ... und zahlreiche Anekdoten aus der Welt der Bertsolari mitgekriegt ;)
Am Nachmittag war ein Rennen für Kinder unter dem Motto "Euskaraz bizi nahi dut", "Ich will auf Baskisch leben", wo ich mithelfen sollte, also hat Alaia, die dann mit den anderen beiden nach Legazpi zur fünften Ausscheidung der Bertsolari-Meisterschaft gefahren ist, mich gleich am Platz (der das Ortszentrum darstellt und wo das ganze stattgefunden hat) abgesetzt. Jon, Alaias Bruder, hat gemeint, ich soll Grüße von ihnen ausrichten und dass sie leider nicht kommen können, darauf Arkaitz: "Ja, wir sind nicht für die baskische Sprache."

Meine Aufgabe bestand dann darin, für die Verlosung am Ende Zettel zu schneiden und mit Zahlen zu beschriften (294 Zetteln sind dabei rausgekommen ...) und denen, die fertig gelaufen waren (0-8 Jahre eine Runde, 8-10 Jahre zwei Runden, 10-12 Jahre drei Runden und 13-16 Jahre fünf Runden), Süßigkeitentütchen auszuteilen ... und zwischendrin immer Auskunft geben: "Wo muss man die Kinder anmelden?" (das war die häufigste Frage, dabei musste man sie einfach gar nicht anmelden), "Wenn wir zehn Jahre alt sind, müssen wir dann zwei oder drei Runden laufen?" (auf meine Antwort "Wie ihr wollt", meinten sie sofort: "Dann zwei.") "Wozu sind die Zettel da?" ...

Hier noch ein paar Fotos von der Veranstaltung:

Die Kleinen bevors losgeht




Die Großen mussten nach jeder Runde einen Finger in Farbe tauchen, das war die Attraktion schlechthin ... die beiden, die auf die Farben aufgepasst haben (heißen zufällig beide Beñat xD) konnten sich kaum vor kleinen Kindern retten, die auch Farbe an den Fingern haben wollten ...


Montag, 7. Oktober 2013

Arbeit, Freizeit und Protest in der dritten Woche

Letzte Woche habe ich die bis jetzt beste Aufgabe bekommen: In einigen teilnehmenden Bäckereien in der Region findet nämlich Ende Oktober eine Verlosung statt ... wer sein Brot auf Baskisch kauft, nimmt daran teil, und zu gewinnen gibt es einen Monat lang Brot kostenlos. Dafür mussten die Schachteln, in die die Lose dann reinkommen sollen, gebastelt werden. Die Schachteln selber mussten nur noch zusammengesetzt werden, aber beklebt werden sollten sie oben mit dem Plakat von der Verlosung und seitlich mit dem Bild von den Loszetteln - nur dass auf den Loszetteln ein Feld ist, wo man Name und Adresse einträgt, und dort auf der Schachtel natürlich besser das Datum von der Verlosung stehen sollte. Zusätzlich haben Bakartxo und ich dann festgestellt, dass man das Plakat nicht so wie geplant auf die Schachtel kleben kann, weil man sie sonst nicht mehr aufmachen kann. Und die falsche Größe hatte beides sowieso.
Also hab ich mich daran gemacht, das ganze mit spanischsprachigem (!) Photoshop (ich kannte obendrein bis dahin nur Photopaint) entsprechend zu verändern (unter anderem musste ich die Schrift auf dem Plakat woandershin versetzen). Zu meinem Glück sind sich Photoshop und Photopaint aber sehr ähnlich und außer wie man ein Element vergößert oder verkleinert habe ich tatsächlich alles gefunden.
Dann musste das alles noch an die anderen Zuständigen in der Region geschickt werden, ob sie das so gut finden, und als am nächsten Tag dann feststand, dass sie es gut finden (nachdem Bakartxo ihnen erst noch hinterhertelefonieren musste), konnte ich mich an die restliche Arbeit machen - Schachteln zusammensetzen, oben Schlitz rein für die Zettel und bekleben.

Der Turmbau zu Babel (später hab ich noch die
Loszettel obendrauf gestapelt)
Ane: "Darf ich ihn umschmeißen?"
Axun: "Nicht solange hier Kaffe rumsteht!"

Und später, als eine der Lehrerinnen von AEK reingeguckt und den Turm bewundert hat, Kommentar von Axun: "Sie ist Deutsche, die haben Erfahrung im Mauern bauen." :D

Das fertige Werk 1

Das fertige Werk 2
Am Mittwoch hab ich dann wieder Werbung nach Sprachen sortiert und am Donnerstag und Freitag Plakate für das Bierfest nächste Woche gemalt, auf denen Sprüche und Dialoge im hiesigen Dialekt stehen.

So viel zur Arbeit, kommen wir zu meiner Freizeitgestaltung letzte Woche:
Am Montag bin ich mit Haizea, die ein Jahr jünger ist als ich, mit dem Fahrrad zu den Minen gefahren, was sehr nett war.
Am Dienstag bin ich eigentlich mit dem Vorhaben, Geld abzuheben und Obst zu kaufen, ins Zentrum gegangen, hab aber auf dem Weg Alazne und Olatz in einem (dem beliebtesten) Café sitzen gesehen und bin also auf dem Rückweg bei ihnen vorbei. Olatz meinte: "Wir gehen gleich, aber so lange kannst du dich ja zu uns setzen." Das war um halb sechs ... und um halb acht war ich es dann, die gegangen ist :D In der Zwischenzeit haben wir unter anderem Seiko urria, eine hiesige Version von Elfer raus, gespielt und da ich gewonnen habe, müssen die anderen beiden mir nächstes mal ein Getränk ausgeben.
Am Mittwoch bin ich nach Hendaia gefahren, um endlich meine Carte de Réduction Jeune abzuholen und Haizea war so lieb mich zu begleiten. Ich war überrascht, wie gut ich es geschafft habe, Französisch zu reden (zumal ich ja zwischendrin mit Haizea immer Baskisch geredet habe), und jetzt hab ich sie endlich, die Carte Jeune! Da wir die S-Bahn nach Oiartzun gerade verpasst hatten und eine halbe Stunde auf die nächste warten mussten, sind wir noch ein bisschen rumgelaufen, aber da der Bahnhof offensichtlich im hässlichsten und tristesten Teil von Hendaia liegt, sind wir bald wieder zurück gegangen und haben am Bahnhof dann einen jungen Mann getroffen, der nach Iruñea wollte und dem gesagt worden war, dass er dafür in Irun in den Bus umsteige müsse - Haizea wusste allerdings nur von einem Bus von Donostia (wo die S-Bahn auch hinfährt) aus. Der Typ war Franzose, Haizea hatte seit über einem Jahr kein Französisch mehr und ich hatte mein Französisch zwar noch parater, kenn mich aber dafür hier nicht aus ... also hat Haizea Französisch mit Spanisch gemischt geredet und hin und wieder mich nach einem Wort gefragt und ich hab ausgeholfen, wenn Haizea den Mann nicht verstanden hat, aber ich schon ... und am Schluss waren meine Gedanken in einer Mischung aus Baskisch und Französisch ...
Danach war ich noch mit Haizea auf der asanblada und danach völlig fertig ...

Ja, die asanblada, das muss ich jetzt noch erklären. Am Montag ist nämlich was passiert: Die Guardia Civil, die paramilitärische spanische Polizei, hat in Gasteiz, Bilbo, Iruñea und Hernani Razzien in den Büros der Organisation Herrira durchgeführt und 18 Personen verhaftet, außerdem sollen die Konten blockiert und die Webseiten und Facebook- und Twitterkonten geschlossen werden (die Facebookseite ist noch da, die Webseite ist schon weg ...). Den Verhafteten wird vorgeworfen, den Terrorismus zu verherrlichen und zur ETA zu gehören, beziehungsweise sie zu finanzieren.
Herrira bedeutet "ins Land" oder "nach Hause" und die Organisation setzt sich für die Rechte der baskischen politischen Gefangenen ein, gerade vor dem Hintergrund des Endes des bewaffneten Kampfs von Seiten der ETA. Ihre Hauptforderungen sind, die Verstreuung der Gefangenen auf den gesamten Spanischen und Französischen Staat zu beenden (daher der Name) und Sonderregelungen wie die sogenannte Parot-Doktrin, die vielen ETA-Mitgliedern eine Haftverkürzung unmöglich macht, abzuschaffen.
Es ist das erste Mal, seit die ETA vor knapp zwei Jahren den bewaffneten Kampf beendet hat, dass wieder so gegen eine zivile Organisation vorgegangen wird.
Um dagegen zu protestieren, wurden die ganze Woche über Kundgebungen und ähnliches veranstaltet, in Oiartzun war eben am Mittwoch die asanblada (in der Theorie eine Versammlung aller, die kommen wollen, in der besprochen wird, was jetzt getan werden soll; in der Praxis hat eine Person (ich glaube von der hiesigen Herrira-Gruppe) Vorschläge unterbreitet und das wars) und am Freitag mittags eine kurze Kundgebung und abends eine Menschenkette (bei der ich aber nicht war, weil es so arg geregnet hat ...) ... und am Samstag dann, wie immer, wenn so etwas passiert, eine nationale Demo in Bilbo. Aus Oiartzun sind vier Busse hingefahren und insgesamt waren es wohl ungefähr 65.000 Teilnehmer.

Mein Versuch, die Demo zu fotografieren ...
... und weil der Versuch nicht sehr erfolgreich war,
hier noch eins von der Presse ;)
Dazu ein kleiner Artikel in der jungen Welt (nicht von mir, aber trotzdem gut :P)